Bezugselektroden

Bezugselektroden (BE, englisch RE = Reference Electrode) sollen vor allem ein stabiles Potential halten. Unter der Voraussetzung, daß der Elektrolyt im Bezugselektrodenraum nicht verschmutzt wird, sind handelsübliche Kalomelelektroden, Silber/Silberchloridelektroden und Quecksilbersulfat- oder Oxidelektroden über Jahre gut stabil.

Um die Bezugselektroden einerseits frei von Verschmutzungen und andererseits den IR - Spannungsfehler in der Messung klein zu halten, setzt man sie nicht direkt in die Zelle, sondern in ein Zwischengefäß, wobei eine Fritte die eigentliche Bezugselektrode vom Zwischenelektrolyten trennt. Ist es nicht möglich, eine "artgleiche" Bezugselektrode (s. u.) zu wählen, so muß dafür gesorgt werden, daß die beiden Elektrolyten nicht ineinander diffundieren. Eine Möglichkeit ist die Verwendung feinporiger Fritten, die die beiden Elektrolyten separieren. Für dynamische Messungen sind solche Übergänge jedoch wenig geeignet. Hier bietet sich an, einen Platinstift in ein Glasrohr aus Laborglas einzuschmelzen (hier kein Spezialglas für Platindurchführungen verwenden!). Das Platin hat einen höheren Ausdehnungskoeffizienten als das Glas, deshalb bildet sich ein Ringspalt aus, der obendrein gut benetzt wird. Der elektrolytische Kontakt ist notwendig zur korrekten Potentialausbildung. Der Platindraht bildet eine niederohmige Verbindung für die korrekte Übertragung dynamischer Signale.

Die Geometrie der Anordnung Arbeitselektrode / Bezugselektrode ist vor allen anderen Faktoren bestimmend für die Meßgenauigkeit. Deshalb sollte man auf sie größte Sorgfalt verwenden.

Zum besseren Verständnis folgende Betrachtung:

Fließt zwischen der Gegenelektrode und der Arbeitselektrode ein Strom, dann fällt, da der Elektrolyt einen endlichen ohmschen Widerstand hat, eine Spannung zwischen Gegenelektrode und Arbeitselektrode ab. Dieses Spannungsgefälle bildet ein elektrisches Feld zwischen den beiden Elektroden: IR-Drop

Der ideale Ort für die Messung des Arbeitselektrodenpotentials ist die Oberfläche der Arbeitselektrode selbst. Leider ist dies in der Praxis unmöglich, man kann mit der Bezugselektrode nur auf endliche Entfernung an die Arbeitselektrode herankommen. Damit erhält einen Meßfehler, der proportional zum Strom durch die Arbeitselektrode ist, den sogenannten "ohm'schen Spannungsfall" oder, englischem Sprachgebrauch folgend, "IR-Drop".
Postion der RE

Bild 8: IR-Drop zwischen WE und den Ort der Potentialmessung

Der ohmsche Spannungsfall beträgt I * R, wobei I der Strom durch die Arbeitselektrode und R der Elektrolytwiderstand ist. Man sieht an der Grafik leicht, daß R mit der Entfernung der Bezugselektrode zur Arbeitselektrode wächst.

Um diesen Abstand möglichst klein zu halten, setzt man die Bezugselektrode nicht direkt in den Elektrolyten ein., sondern schließt sie über eine Kapillare, die sog. "Haber - Luggin - Kapillare" (HLK) an. Damit kann man die Distanz Referenzpotentialmeßpunkt - Arbeitselektrodenoberfläche bis auf weniger als 1 mm verkleinern. Die praktische Untergrenze für eine solche Anordnung ist vom Kapillarendurchmesser abhängig: Je kleiner die Kapillare, um so weiter darf man sich der Arbeitselektrode nähern, andernfalls treten andere Meßfehler durch "Abschatten" der Feldlinien auf.

Vor der Arbeitselektrode wird eine Kapillare mit fein ausgezogener Mündung, die HLK, angebracht. Sie wird über ein Rohr oder einen Schlauch mit dem Zwischenelektrolyten verbunden. Der die Messung verfälschende IR - Spannungsfehler ist jetzt wegen des kleineren Abstands zwischen der Kapillarenmündung und der Arbeitselektrode begrenzt und für kleine Ströme meist vernachlässigbar. Die Mündung der HLK sollte im Idealfall einen Durchmesser von 0,2 bis 0,5 mm haben, ihr Abstand 0,5 bis 1 mm zur Arbeitselektrode betragen. Fritte nahe der RE
Bild 9: Anordnung HLK mit Fritte auf der Seite der Bezugselektrode

Im Regelfall ist der Elektrolyt in der Meßzelle verschieden von dem des Bezugselektrodensystems: Deshalb muß der Bezugselektrolyt vom Volumen der Meßzelle durch eine Fritte abgetrennt werden. Diese Fritte kann man entweder an die Mündung der Haber - Luggin - Kapillare legen, oder an das Ende, das zur Bezugselektrode zeigt.
Beide Bauarten haben Vor- und Nachteile. Liegt die Fritte dicht vor der Arbeitselektrode, dann besteht die Gefahr, daß Spuren des Bezugselektrolyten (in der Regel eine gut leitfähige KCl - Lösung) bis zur Arbeitselektrode gelangt und damit unerwünschte Reaktionen auslöst. Außerdem darf man die Fritte wegen des relativ großen Durchmessers nicht allzudicht an die Arbeitselektrodenoberfläche heranbringen, da sonst der Fehler durch "Abschattungseffekte" der Feldlinien wächst. Damit ist bei einer solchen Anordnung der IR - Drop - Fehler größer. Vorteil dieser Bauart ist, daß die Elektrolytbrücke zur Bezugselektrode niederohmig bleibt und damit wenig anfällig gegen Brummeinstruungen ist.

Liegt die Fritte an der Seite der Bezugselektrode, dann hilft die Länge der Kapillare als zusätzliche Diffusionsbremse, eine Kontaminierung des Hauptelektrolyten zu verhindern. Andererseits ist damit - insbesondere wenn man mit schlecht leitfähigen Elektrolyten arbeitet, die HLK entsprechend hochohmig und muß gut abgeschirmt werden.

Fritte nahe der WE

Bild 10: Anordnung HLK mit Fritte auf der Seite der Arbeitselektrode

Bei der praktischen Ausführung der HLK sollte man darauf achten, daß sie nicht zu dünn gerät. Mit abnehmendem Querschnitt im Kapillarenrohr steigt der Widerstand der Anordnung und wird zunehmend anfälliger gegen Brummeinstreuungen. Sehr schwach leitfähige Elektrolyten können hier Sonderkonstruktionen erforderlich machen, etwa den Einbau einer Mikro - Bezugselektrode in die Kapillare selbst. HLK in RE

Eine dritte Möglichkeit besteht darin, Bezugselektrode und HLK derart zu kombinieren, daß die Vorzüge beider vorgenannten Konstruktionen erhalten bleiben:

Es ist ratsam, die Referenzelektrode, falls möglich, nach dem Meßelektrolyten auszuwählen (z.B. Sulfat - Bezugselektroden für Messungen in Sulfaten, Chloridbezugselektroden für Messungen in Chloridlösungen etc. Das hat den Vorteil, daß wegen der geringeren Kontaminationsgefahr keine sehr feinporigen Fritten zur Trennung von Bezugselektrodenraum und Hauptelektrolyt verwendet werden müssen. Dadurch kann der Übergangswiderstand zwischen beiden Elektrolyten klein gehalten werden.

Ein bekanntes Problem elektrochemischer Messungen besteht darin, daß Gasblasen in die HLK eindringen können und dann die Meßstrecke unterbrochen ist. Wenn das passiert, muß meist die Messung neu begonnen werden, neuer Elektrolyt eingefüllt werden und die Arbeitselektrode neu präpariert werden, denn bei Unterbrechung der Potentialmessung geht der Potentiostat auf Vollaussteuerung mit allen unerquicklichen Folgen. Was kann man dagegen tun? Neben der Möglichkeit, den Elektrolyten in der Kapillare als Gel auszubilden, was nicht immer möglich ist, kann man sich leicht behelfen, indem man einen Baumwollfaden (Zwirn) in das Kapillarenrohr einzieht. Gasblasen verringern dann den Querschnitt der Kapillare und führen zu erhöhter Einstreuung von Brumm oder HF-Signalen, die Meßstrecke wird aber nicht komplett unterbrochen.